Pinky

Bereits im Alter von sechs Monaten wurde Pinky  zum ersten Mal besamt, dann für drei Tage im Kastenstand eingesperrt, um die Trächtigkeit sicherzustellen. Anschließend durfte  bis kurz  vor der Geburt ihrer Ferkel  frei auf den Betonspaltenbodengängen zwischen den Schlafbuchten  aus Metall herumlaufen. Stroh suchte man in dem Stall vergeblich. Und der Platz zwischen den Kastenständen war viel zu knapp, als dass sich alle 42 Sauen in Pinkys  Gruppe gleichzeitig dort hätten bewegen können.
Deshalb lag Pinky  meistens nur apathisch in ihrem Kastenstand. Begegneten sich doch Sauen auf dem Gang, wurden sie  aggressiv. Kein Wunder, denn in dem Betrieb  fristen insgesamt fast 350 Zuchtsauen ihr Dasein, auf zwei Räume verteilt in sieben Gruppen von je 42 Tieren. Ständig gibt es im Stall ein „Kettenkonzert“ – die Sauen kauten auf Eisenketten herum,  die das einzige Beschäftigungsmaterial  darstellten. Nach drei Monaten, drei Wochen und drei Tagen brachte Pinky etwa  16 Ferkel zur Welt. Eine Woche vor dem Geburtstermin  wurde sie im  Ferkelkorb  (auch eiserne Jungfrau genannt) eingesperrt. Darin konnte sie nur stehen oder liegen, sich zu drehen war  unmöglich. Die massive Bewegungseinschränkung  sollte dafür sorgen,  dass  Pinky nicht von ihren Ferkeln welche  mit ihrem schweren Körper erdrückte. Es passierte aber trotzdem. Im Alter von drei Tagen wurden Pinky  ihre Kinder  zum ersten Mal weggenommen. Sie musste  im Ferkelkorb eingesperrt mit ansehen, wie ihre männlichen Kinder kastriert und allen ihren Kindern  die Schwänze kupiert wurden. Unglaublicher Stress für Pinky  und ihre Kleinen. Ihre Söhne wurden  für die Kastration zwar mit einem Gas (Isofluran) betäubt, aber sie fürchteten sich davor, ihren Kopf in den Trichter zu stecken, so dass einige  die Kastration hellwach erlebten.

Und anschließend kreischten  sie vor Schmerzen und fanden nicht in den Schlaf, auch als sie längst wieder bei  Pinky im Ferkelkorb waren. Pinky schaffte es nicht, sie zu beruhigen, schlimm für eine Schweinemama. Die Ferkel blieben  vier Wochen lang bei Pinky, insgesamt war sie also  fünf Wochen lang  in dem Ferkelkorb eingesperrt. Konnte sich  um ihre Kinder nicht richtig kümmern, weil sie sich ja nicht umdrehen konnte. Als nach 35 Tagen  die eiserne Jungfrau aufgemacht wurde, stand Pinky und mit ihr noch 41  Muttersauen auf und sie durfte endlich wieder laufen, aber -unsicher auf den Beinen-  grätschten viele von ihnen  erstmal aus.  Pinky  wankte  zurück in den Gruppenbereich. Erst als die Tür hinter ihnen zufiel, realisierten sie und die anderen 41 Muttersauen, dass ihre Ferkel nicht mehr da waren. Es ertönte panisches Geschrei von 42 Schweinemüttern mit schreckgeweiteten Augen. Pinkys  Euter war noch prall mit Milch gefüllt, die ihre Ferkel nun nicht mehr trinken durften.

Milchstau tut furchtbar weh, aber Medikamente bekam Pinky nicht. Stattdessen wurden  sie und die 41 anderen Sauen  sofort mit einem aus dem Urin trächtiger Pferdestuten gewonnenen Hormon gespritzt, dadurch setzte nach  kurzer Zeit bei allen gleichzeitig die Rausche wieder ein und gleich darauf wurden sie wieder besamt. Pinky  brachte zweimal im Jahr Ferkel zur Welt und als es nach einigen Jahren nicht mehr genug für die Mast taugliche Ferkel waren, wurde sie nach der Trennung von ihren letzten Ferkeln zur Schlachtung aussortiert. Sie kam  bis zur Abholung mit Sauen aus anderen Gruppen zusammen in eine große Bucht, wo sie auch noch einen Rangkampf durchmachen musste. Der Schweinebauer hätte für ihren  geschundenen Körper  250 € vom Händler bekommen. Sie wäre mit furchtbaren Milchstauschmerzen,  Bissverletzungen und der Sorge, was wohl aus ihren Kindern geworden ist, nach einem rund  achtstündigen  Transport in der CO2-Betäubungskammer bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück gelandet, wo sie noch zwei Minuten lang Panikattacken und Erstickungsanfälle hätte erdulden müssen, bevor  Bewusstlosigkeit  ihrem jahrelangen Martyrium endlich ein Ende gesetzt hätte.

Aber Pinky  hatte  Glück. Sie darf  in unserer Pflegestelle Erflinghausen einen Lebensabend auf Stroh in einem lichtdurchfluteten Stall verbringen. Vom Stall aus kann  sie den Himmel sehen und im Auslauf die Sonne auf ihrer Haut spüren. Es ist schwierig, Muttersauen vor der Schlachtung freizukaufen, da die Betriebe abgeschottet sind. Pinky und ihre sieben Gefährtinnen  verdanken ihre Rettung einer unglaublich engagierten  und resilienten  Veganerin, die das Vertrauen des Betreibers von einem Sauenbetrieb hat. Sie ist regelmäßig im Betrieb und darf Lebensplätze für „ausgediente“  Sauen und nicht für die Mast taugliche Ferkel suchen. Erfreulicherweise muss sie für eine Sau auch weniger als den Schlachtpreis bezahlen und für die Ferkel gar nichts. Ihre Arbeit verdient den allerhöchsten Respekt und solche Rettungsschleusen sind sehr gefährdet, zu versiegen, weil die Betriebe Angst vor militanten Tierschützern haben. Deshalb schreiben wir hier auch nichts weiter über die  Herkunft  von Pinky und ihren sieben Gefährtinnen Annalena, Blue, Joy, Nuria, Rosalind, Sam und Spikey, die so großes Glück hatten.

Nun fehlen ihnen aber für ihren sorglosen Lebensabend noch Paten!

 

Pinky lebt in Meschede

(im Hochsauerland in NRW)

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