Hanna

Das am 05.01.2020 geborene Schweinemädchen wurde bereits im Alter von sechs Monaten zum ersten Mal besamt, dann für drei Tage im Kastenstand eingesperrt, um die Trächtigkeit sicherzustellen. Dann durfte Hanna theoretisch bis eine Woche vor der Geburt ihrer Ferkel frei auf den Betonspaltenbodengängen zwischen den Schlafbuchten aus Metall herumlaufen. Stroh sucht man auf diesem Hof in Norddeutschland, der als Vorzeigebetrieb gilt, vergeblich. Und der Platz zwischen den Kastenständen war viel zu knapp, als dass sich alle 42 Sauen in Hannas Gruppe gleichzeitig dort hätten bewegen können. Deshalb lag Hanna meistens nur apathisch in ihrem Kastenstand. Begegneten sich doch Sauen auf dem Gang, wurden sie aggressiv. Kein Wunder, denn in dem Betrieb fristen insgesamt fast 350 Zuchtsauen ihr Dasein, auf zwei Räume verteilt in sieben Gruppen von je 42 Tieren. Ständig gibt es im Stall ein „Kettenkonzert“ – die Sauen kauten auf Eisenketten herum, die das einzige Beschäftigungsmaterial darstellten.

Nach drei Monaten, drei Wochen und drei Tagen brachte Hanna etwa 16 Ferkel zur Welt. bringen sollen. Eine Woche vor dem Geburtstermin wäre sie im Ferkelkorb (auch eiserne Jungfrau genannt) eingesperrt worden. Darin können die Schweinemamas nur stehen oder liegen, sich zu drehen ist unmöglich. Die massive Bewegungseinschränkung soll dafür sorgen, dass die Tiere von ihren Ferkeln nicht welche mit ihrem schweren Körper erdrücken. Es passiert aber trotzdem. Im Alter von drei Tagen werden den Müttern ihre Kinder zum ersten Mal weggenommen. Sie müssen im Ferkelkorb eingesperrt mit ansehen, wie ihre männlichen Kinder kastriert und allen ihren Kindern die Schwänze kupiert wurden. Unglaublicher Stress für die Mütter und ihre Kleinen. Ihre Söhne wurden für die Kastration zwar mit einem Gas (Isofluran) betäubt, aber sie fürchteten sich davor, ihren Kopf in den Trichter zu stecken, so dass einige die Kastration hellwach erleben.

Und anschließend kreischen sie vor Schmerzen und finden nicht in den Schlaf, auch wenn sie längst wieder bei ihren Müttern sind. Die Schweinemamas schaffen es nicht, sie zu beruhigen, schlimm für Hanna. Die Ferkel blieben vier Wochen lang bei ihr, sie war also fünf Wochen lang in dem Ferkelkorb eingesperrt und konnte nicht einen Schritt laufen. Sich noch nicht einmal richtig um ihre Kinder kümmern, weil sie sich ja nicht umdrehen konnte. Wenn nach 35 Tagen die eiserne Jungfrau aufgemacht wurde, standen 42 Muttersauen auf und sie dürfen endlich wieder laufen, aber -unsicher auf den Beinen- grätschen viele von ihnen erstmal aus. Dann wankten sie zurück in den Gruppenbereich. Erst wenn die Tür hinter ihnen zufiel, realisierten sie, dass ihre Ferkel nicht mehr da waren. Es ertönte panisches Geschrei von 42 Schweinemüttern mit schreckgeweiteten Augen. Ihre Euter waren noch prall mit Milch gefüllt, die ihre Ferkel nun nicht mehr trinken durften. Milchstau tut furchtbar weh, aber Medikamente bekamen die ausgebeuteten Tiere nicht.

Stattdessen wurden sie sofort mit einem aus dem Blut trächtiger Pferdestuten gewonnenen Hormon (PMSG= Pregnant Mare Serum Gonadotropin) gespritzt, dadurch setzt nach kurzer Zeit bei allen die Rausche wieder ein und gleich darauf wurden sie wieder besamt. Ein schrecklicher Kreislauf, den die Schweinemamas mindestens zweimal im Jahr erdulden müssen. Hanna musste es zwei Jahre lang mitmachen, dann hatte sie riesengroßes Glück. Denn im Mai 2022 hatte der Schweinebauer mehr trächtige Sauen, als Ferkelkörbe zur Verfügung standen. Und Schutzengel für Tiere hatte zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit, vier Sauen aufzunehmen. Aber natürlich leider keine trächtigen Tiere, so sehr man sich auch wünschen würde, dass eine Sau ihre Ferkel einmal ganz in Ruhe großziehen darf, ohne im Ferkelkorb sein zu müssen.

Hanna wäre trächtig zum Schlachthof gegangen, also war es für ihre noch nicht weit entwickelten Ferkel egal, ob sie nun leider abgetrieben wurden oder im Bauch ihrer Mutter mit auf dem Schlachthof gestorben wären. So konnte aber zumindest das Leben ihrer Mutter Hanna bewahrt werden. Hanna wäre in einem Käfig aus dicken Eisenrohren heruntergefahren worden in einen Schacht mit hoher CO 2-Konzentration. Bis zu zwei Minuten dauert es, bis die Schweine nach Panikattacken, Erstickungsanfällen und stechenden Schmerzen an den Schleimhäuten endlich durch Bewusstlosigkeit erlöst werden. Ihre Rettung verdankt Hanna einer Tierschützerin, die aufopferungsvoll in dem Betrieb versucht, für möglichst viele Schweinemütter Lebensplätze zu finden. Agnes, Hanna, Sola und Hope durften zusammen in den Anhänger steigen, der sie in unsere Pflegestelle nach Erflinghausen brachte. Es ist immer unglaublich schön zu beobachten, wie zufrieden die geretteten Sauen nach ihrer Ankunft zum ersten Mal in ihrem Leben im weichen Stroh liegen.

Hanna lebt in Meschede

(in Nordrhein-Westfalen)

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